Warum wurde dieses Zentrum nach Livia Gereschi benannt?

Als ich als Studentin in Pisa lebte, wohnte ich ein paar Jahre am Anfang der Via Garibaldi. Auf dem Weg zur Fakultät ging ich jeden Tag durch die Via Livia Gereschi, eine schöne, unregelmäßig verlaufende Straße, die früher Via La Rosa hieß. Durch die Via Gereschi gelangte ich direkt auf den Platz des Gerichtsgebäudes und von dort zum Borgo Stretto.

Die weiße Marmortafel mit dem eingemeißelten Namen Livia Gereschi war etwas vom Ersten, was ich jeden Morgen sah, sie gehörte zu meinem Alltag. Mit der Zeit wurde ich neugierig und wollte wissen, zu wem dieser Name gehörte und welche Geschichte dahintersteckte. Nach einigem Herumfragen und nachdem ich Nachforschungen angestellt hatte erfuhr ich von der absurden, unglücklichen Geschichte von Livia Gereschi. Sie ist derjenigen vieler anderer Opfer der deutschen Besatzung in Italien tragisch ähnlich. Livia Gereschi war Sprachlehrerin. Sie hatte in Pisa studiert und wohnte in der Straße, die später nach ihr benannt werden sollte. Hundert Meter von dem Ort entfernt, an dem ich damals lebte. Wir machten also denselben Weg, um zur Fakultät zu gelangen. Wir hatten auch beide dieselbe Sprache studiert, Deutsch, aber zu ganz verschiedenen Zeiten.

In meinem Fall erwies sich das Deutschstudium als gute Investition für mein Berufsleben. Ich konnte als Lektorin für Italienisch an einer deutschen Universität arbeiten, den Übersetzerberuf ergreifen, 2002 in Italien Puntolingua gründen und diese Einrichtung nach zehn Jahren nach Deutschland „exportieren“. Die Tatsache also, dass ich mich zwischen zwei Ländern hin und her bewegte und die Kommunikation zwischen den Menschen, die nur Deutsch oder nur Italienisch sprechen, zu fördern vermochte, stellte in meinem Fall eine große Ressource dar.

Leider war dies für Livia Gereschi nicht der Fall. Vielleicht gerade, weil sie wie ich von dem Wunsch besessen war, Fremdsprachen kennen zu lernen, zu sprechen und zu unterrichten und Kommunikationsprobleme zwischen den Mitmenschen zu lösen, wurde sie zum Opfer einer niederträchtigen Vergeltungsmaßnahme durch die Nazis.

Wie viele andere Bewohner von Pisa war Livia 1944 in die Nähe von Molina di Quosa in die Monti Pisani evakuiert worden.

In der Nacht vom 6. auf den 7. August durchkämmte eine SS-Mannschaft diese Gegend auf der Suche nach Partisanen, fanden aber nur Familien auf der Flucht vor den Bombenangriffen. Die SS-Leute hatten viele Gefangene gemacht und wie in vielen anderen, ähnlichen Fällen die Männer von den Frauen und Kindern getrennt.

Im Vertrauen auf ihre Deutschkenntnisse versuchte Livia auf eigene Initiative, den Soldaten zu erklären, dass diese Leute unschuldig waren und es sich nicht um Partisanen handelte, sondern um ganz gewöhnliche Zivilpersonen.

Es gelang ihr, Frauen und Kinder freizubekommen, aber als Folge ihres Eingreifens wurde sie in die Gruppe der „arbeitsfähigen“ Männer eingeteilt und erlitt deren Schicksal. Nach einigen Tagen Haft und Folter wurden 69 Personen, darunter Livia Gereschi, erschossen.

Costanza Orlandi

Andenken an Livia Gereschi (auf Italienisch)